Ein kleiner Gruß – Kirche zum Mitnehmen – 2020-03
Das fehlt uns in diesen Tagen!
Die Nähe zu anderen Menschen, sich geborgen fühlen, sich in den Arm nehmen zu können.
Enkelkinder vermissen die Großeltern oder andere Familienmitglieder und umgekehrt.
Junge Menschen, Freunde, Cliquen vermissen es, sich eine gute Zeit miteinander zu machen, Partys zu feiern.
Kinder vermissen ihre Freunde in Schule und Kindergarten.
Frauen und Männer vermissen es, einfach zur Arbeit zu gehen, den
Tag zu planen, Bekannte zu treffen, abends auf ein Bier oder eine Cola zusammen zukommen.
Ältere Menschen vermissen es, einfach beim Bäcker einen Kaffee zu trinken, ein bisschen Zeitung zu lesen und ein Stück Kuchen zu essen. Und so vieles anderes mehr vermissen wir.
Und gleichzeitig gibt es oft zu viel Nähe. Die von uns, welche nicht allein leben, spüren auch täglich, dass wir jetzt sehr eng miteinander leben. Eltern mit den Kindern in einer Wohnung, in einem Haus, mit Garten, ohne Garten. Eltern mit kleinen Kindern, die toben wollen und die ganze Aufmerksamkeit einfordern. Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen, die in diesen Tagen eng zusammen leben. Sie und andere vermissen einen Freiraum für sich selbst, mal Luft holen können, mal einen räumlichen Abstand nehmen können. Das ist so wichtig – und jetzt nicht so möglich.
Der erste Streit gleich am Morgen beim Frühstück und die kommende Zeit ist sehr angespannt. Die Nerven sind dünn. Die Nachrichten über Radio, Lifeticker und Internet lassen nicht aufatmen. Die Nachrichten im Fernsehen machen uns deutlich, es ist nicht möglich, eine zeitliche Begrenzung aller Maßnahmen zu geben.
Das macht uns Druck, das macht uns auch Angst.
Kinder fragen nach dem Virus, sie machen sich ihre Gedanken und schnappen ja so vieles auf, was geredet und gesendet wird. Sie zu beruhigen und gleichzeitig aufzuklären, zeigt uns anderen, wie sensibel wir sind, wie wichtig es ist, jedes Wort abzuwägen und gleichzeitig besonnen und beruhigend zu reden.
„Ich glaub, ich muss mal auf den Arm!“, diesen Satz gibt es in meiner Familie. Gesagt haben das sogar mehr Große als Kleine. „Ich glaub, ich muss mal auf den Arm!“ Ich brauche jetzt eine warme Schulter, um mich anzulehnen. Ich brauche ein klein wenig Geborgenheit. Ich bin in mir so unruhig und dünnhäutig, ich brauche deinen Trost.
Und dann sitzen da zwei Menschen und lehnen sich aneinander oder schmiegen sich an die Schulter, an den Arm. Sie reden oder schweigen miteinander, trinken Kaffee oder sind ganz still.
„Ich glaub, ich muss mal auf den Arm!“ wird zum Aufatmen. Ich darf für mich sorgen, darf sagen, dass ich heute Geborgenheit brauche, darf zeigen, wie dünnhäutig mir zu Mute ist. Ich darf um Zuwendung bitten, darf getröstet werden.
Ob als Kind, als Erwachsene*r, ich bin heute bedürftig nach Nähe und Trost.
In meiner Familie kenne ich viele solcher Zeiten. Ich kenne die Minuten „des auf den Arm nehmens“ auf dem Küchensofa, am Bett des Kindes, unterm Apfelbaum. Ich kenne aus Erfahrung, dass ich genauso „auf den Arm kann“, wenn wir dabei miteinander telefonieren.
Ich schreibe darüber und denke an die biblischen Worte im Alten Testament. Im Buch Jesaja wird von Gott berichtet, dass Gott zu uns Menschen spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Eine Erfahrung, die mich einhüllt. Ich sehne mich danach so getröstet und genährt zu werden, dass ich von mir selber sagen kann, Gott tröstet mich und nährt mich, wie eine gute Mutter.
Heute können wir schon erzählen, was uns in diesen vergangenen Tagen geschehen ist, was es mit uns gemacht hat. Jeder kommende Tag wird seine ganz eigene Aufgabe an uns stellen. Mancher Tag wird uns herausfordern und uns an unsere Kraftgrenzen bringen.
Wenn Sie mögen, so sorgen sie gut für sich und damit ja auch für andere. Und sagen Sie es, wenn Sie „mal auf den Arm“ müssen.
Es ist jemand für Sie da. Auf dem Sofa. Am Telefon. An der Haustür. Am Handy.
Es ist jemand für uns da – Im Glauben. In Verbundenheit. Im Herzen.
Ich wünsche uns allen Kraft und Mut und Vertrauen darauf, dass wir getragen und geliebt sind.
Mit herzlichen Grüßen – Eure Pfarrerin Sabine Feuerhake